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Kategorie

Datum

Aug 07 2020 - Aug 09 2020

Uhrzeit

All Day

Format

Seminar

Medienanalyse: Kuppelstädte zwischen Science Fiction und Stadtplanung

„Cities have a life of their own. Like all living things, they grow to their own pattern, not ours“, schreibt Science-Fiction-Autor Frederik Pohl. Städte als lebendige Dinge, als von Bewegung und Wachstum gekennzeichnete Organismen zu begreifen, hat in der westlichen Kultur eine lange Tradition. Dies schließt natürlich die Tendenz, sie begrenzen, gestalten und kontrollieren zu wollen, gerade nicht aus, sondern ein. Dieses historische Spannungsverhältnis artikuliert sich in vielfältigen Formen der Stadtplanung (von mittelalterlichen Stadtmauern bis hin zu Planstädten der Moderne), wobei eine ganze Reihe von Vorstellungen und Entwürfen nie realisiert wurde.

Im Seminar beschäftigen wir uns mit solchen nie gebauten Städten, die unter gläsernen Kuppeln imaginiert wurden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt diese Idee eine erstaunliche Konjunktur nicht nur in der Science Fiction, sondern auch in der Stadtplanung, Architektur und im Design. Aufs Engste verknüpft ist die Vision von Kuppelstädten einerseits mit dem Bautypus des Glashauses aus dem 19. Jahrhundert, der im Zeichen der Beherrschung und Züchtung der (nicht-menschlichen wie menschlichen) Natur gestanden hatte. Andererseits hängt die besagte Konjunktur, die sich besonders Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre abzeichnet, stark mit der fundamentalen Kritik am zeitgenössischen Zustand der Städte zusammen.

Somit eröffnet das Dispositiv von ‚domed cities‘ ein breitgefächertes Diskursfeld, das sich von den frühen SF-Romanen eines Paul Scheerbart über das „Passagenwerk“ von Walter Benjamin bis hin zur medienwissenschaftlichen Analyse von königlichen Glashäusern und kybernetischen Modellen der Regierungskunst erstreckt. Ebenso befassen wir uns mit exemplarischen Kuppelstadtprojekten aus den USA (R. Buckminster Fuller, Athelstan Spilhaus), aus Europa/Japan (Frei Otto/Kenzo Tange) sowie aus der Sowjetunion.

Ausblickend gehen wir auf die besondere Brisanz des Phänomens ‚Kuppelstadt‘ vor dem Hintergrund seiner vielfältigen Aktualisierungen im 21. Jahrhundert ein: Gegenwärtige Fantasien über die Kolonisierung des Mars und technologische Allmacht sind nämlich nicht minder mit Kuppelkulturen verwandt als ästhetisch-künstlerische Praktiken, die für Umweltbewusstsein, Gesellschaftskritik und politisches Engagement stehen.

Lektüreempfehlung: Eva Díaz (2011), Dome Culture in the Twenty-first Century. In: Grey Room 42, S. 80–105. URL: https://doi.org/10.1162/GREY_a_00020 

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